Zwischen Ehrfurcht und Irritation: Über die Bedeutung des Staunens

Der Philosoph und Autor Franz Josef Wetz diskutierte im Humanistischen Zentrum in Nürnberg die tiefgründige Frage nach dem Ursprung der Existenz und stellte sein aktuelles Buch vor.

Im Rahmen des Philosophischen Frühstücks hat der Philosoph und Humanist Prof. Dr. Franz Josef Wetz sein neues Buch „Staunen – Warum existiert überhaupt etwas?“ vorgestellt und mit den Gästen über seine Thesen und Folgerungen diskutiert.

In seinem Vortrag nahm Franz Josef Wetz das Staunen über die Existenz in den Fokus, aber auch die bedeutende Frage, warum überhaupt etwas existiert. Es geht ihm darum, den Alltag zu verlassen, um die Wirklichkeit in all ihrer Rätselhaftigkeit bewusst wahrnehmen zu können. Das Staunen ist für ihn eine Form der Vergegenwärtigung, die von Irritation bis Kontemplation reicht und besonders durch überwältigende Naturphänomene wie den Sternenhimmel, den Ozean oder die vielen „Naturwunder“ ausgelöst wird.

Eugéne Ionesco und Immanuel Kant dienen als Gewährsleute für die Bedeutung des Staunens. Während Ionesco die Welt als fremdartig und erstaunlich beschreibt, sieht Kant im bestirnten Himmel und dem moralischen Gesetz tiefgreifende Gründe für Ehrfurcht.

Das Staunen lässt sich laut Wetz in subjektive und objektive Formen unterteilen. Subjektives Staunen sei meist emotional, während objektives Staunen von der tatsächlichen Beschaffenheit der Phänomene ausgehe. Wissenschaftliche Erkenntnisse steigerten das Staunen sogar noch, da sie eine intensivere und angemessenere Wahrnehmung der Realität ermöglichen.

Albert Einstein und Richard Dawkins befürworten das Staunen über die Harmonie der Naturgesetze, während Naturalisten wie Lukrez und Büchner es ablehnen, da sie es als Ausdruck mangelnder Aufklärung betrachten. Wittgenstein hingegen ist ambivalent: Einerseits betrachtet er das Staunen über die Existenz als sprachlichen Missbrauch, andererseits empfindet er es als tiefstes Erlebnis.

Die Frage, warum überhaupt etwas existiert, steht im Zentrum metaphysischer Reflexionen. Diese Frage sucht nach einem letzten Grund und wird in verschiedenen Denktraditionen unterschiedlich beantwortet. Monotheisten sehen die Schöpfung als Ursprung, während Naturalisten keinen letzten Grund anerkennen.

Letztlich beschreibt Wetz die Existenz der Welt und der Wirklichkeit als unfassbar und nicht erklärbar. Dennoch sei das Staunen darüber ein tiefes, rationales Erlebnis, das uns auf die erstaunliche Tatsache der Existenz aufmerksam macht. Deshalb gibt es für ihn keine sinnvolle Antwort auf die Frage, warum etwas überhaupt existiert. Dennoch sei sie gerechtfertigt, nicht durch die Möglichkeit ihrer Beantwortung, sondern dadurch, was sie uns vergegenwärtigen kann, nämlich die unergründbare Existenz der Wirklichkeit.

Franz Josef Wetz lehrt Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und hat sich in mehreren Werken schon aus verschiedenen Perspektiven mit der Frage beschäftigt, welche Konsequenzen die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften für unser menschliches Selbst- und Weltverständnis haben.

Das Buch "Staunen: Warum existiert überhaupt etwas?" von Franz Josef Wetz ist im August 2024 im J.B. Metzler Verlag erschienen.

 

Das Philosophische Frühstück und die Philosophische Werkstatt im Humanistischen Zentrum bieten regelmäßig Gelegenheit, sich mit spannenden Fragen der Philosophie und Wissenschaft auseinanderzusetzen, die von Expert*innen aus verschiedenen Bereichen präsentiert und diskutiert werden. Die Besucher sind eingeladen, sich aktiv an den Diskussionen zu beteiligen und ihre eigenen Gedanken einzubringen.

Beim nächsten Treffen am 17. November macht sich Dr. Frank Schulze mit seinen Gästen auf die „Suche nach dem guten Leben“. Alle kommenden Termine und Themen finden Sie in unserem Terminkalender.

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