Von wegen Islamisierung - Konfessionsfreie bald die Mehrheit!
Bei einer Wallfahrt in Altötting hatte Voderholzer gesagt, die Angst vor einer Islamisierung „durch Asylgewährung und Fruchtbarkeit“ halte er „nicht für ganz unberechtigt oder gar krankhafte Hirngespinste“. Er behauptete weiter, die anhaltende "Unlust an Nachkommenschaft" könne "von vielen Menschen in den anderen Kontinenten ja nur als eine Einladung verstanden werden [...], zu uns zu kommen und die Lücken zu schließen". Theologisch gesehen sei der Islam „der Widerspruch zum Christentum“, weshalb allenfalls auch nur ein „kulturelles Nebeneinander“ möglich sei. Der Bischof verteidigte schließlich auch die am 1. Juni in Bayern in Kraft getretene Kreuzpflicht in staatlichen Behörden.
Nicht Islamisierung, sondern Säkularisierung
„Das ist eine befremdliche Sichtweise“, sagte Bauer demgegenüber. „Der bedeutendste weltanschauliche Trend bei uns ist das andauernde Wachstum der Gruppe derjenigen, die generell religionsdistanziert sind und gar keiner Religion folgen“, hielt Bauer fest. „Die Islamisierung, vor der Voderholzer solche Angst hat, gibt es nicht. Stattdessen erleben wir eine weitere Säkularisierung und Pluralisierung der Lebensauffassungen und Glaubensorientierungen. Dies ist die wesentliche Veränderung, mit der sich unsere Gesellschaft und die Politik auseinanderzusetzen hätten, nicht mit hetzerischen Überfremdungsphantasien.“
Wissenschaftliche Untersuchungen untermauern Bauers Sichtweise, so der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung, Erhebungen des Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienstes (REMID) und Studien des US-amerikanischen Pew Research Centers. Demnach wachse die Gruppe der Konfessionsfreien am stärksten, und es spreche wenig dafür, dass sich dieser Trend in absehbarer Zeit umkehre. Ende 2016 waren bereits rund 33 Prozent der Deutschen laut den Daten des REMID konfessionsfrei. Hält der Säkularisierungstrend weiter an, so wird die Gruppe der Konfessionsfreien in voraussichtlich etwa 20 Jahren die absolute Mehrheit der Bevölkerung bilden.
„Auch wenn die Kirchen auf absehbare Zeit große Konfessionsgemeinschaften bleiben werden, wird unsere Gesellschaft vor allem säkularer und vielfältiger. Muslime bleiben eine relativ kleine Minderheit. Dieses objektive Bild wird in der öffentlichen Wahrnehmung leider oft verzerrt, weil reaktionäre oder religiös radikale Gruppen seit Jahren große Aufmerksamkeit auf sich ziehen und weil Gewalttaten von religiös motivierten Extremisten vielen BürgerInnen Angst machen“, so Michael Bauer zu den Entwicklungen.
Bauer warnte erneut davor, Menschen primär über eine ihnen zugeschriebene religiöse oder weltanschauliche Identität definieren zu wollen. „Für den allergrößten Teil der Menschen in Deutschland ist Religiosität nur ein Aspekt ihres Lebens, der im Zusammenspiel mit anderen Teilen ihrer Identität gelebt wird. Einen Menschen vor allem als 'Muslim', 'Christ' oder 'Atheisten' etikettieren zu wollen, ist einfach und plakativ, aber wird der komplexen Realität nicht gerecht“, so Bauer dazu. Dies gelte auch für Geflüchtete und Asylsuchende, die oftmals gerade vor religiösem Terrorismus und Fundamentalismus geflüchtet seien. Hinzukommt, dass viele von ihnen erst hierzulande die Möglichkeit erhielten, sich befreit von äußeren Zwängen mit früheren Glaubensvorstellungen auseinandersetzen oder auch von ihnen lösen zu können. Dies zeigten auch die eigenen Erfahrungen aus der einschlägigen Verbandsarbeit.