Von Nachbarn lernen: Für eine humanistische Militärseelsorge
Seit Aufstellung der Bundeswehr im Jahr 1955 verrichten evangelische und katholische Militärgeistliche ihren Dienst in der Truppe. Stand jetzt verfügt die evangelische Militärseelsorge über etwas mehr als 110, die katholische Militärseelsorge über rund 80 Geistliche. Bald sollen für die seelsorgerische Betreuung der jüdischen Soldat*innen auch 10 Militärrabbiner ihren Dienst aufnehmen. Diese Geistlichen leisten nicht nur seelsorgerischen Beistand, sie sind außerdem verantwortlich für den sogenannten Lebenskundlichen Unterricht, an dem teilzunehmen alle Soldat*innen verpflichtet sind - auch dann, wenn sie selbst einer anderen Religion als der christlichen oder jüdischen oder vielleicht überhaupt keiner Religion angehören.
Rund die Hälfte aller Bundeswehrsoldat*innen, ergab eine Studie aus dem Jahr 2013, verstehen sich heute als nichtreligiös. Auch sie brauchen Beistand, finden diesen bis jetzt aber ausschließlich in den Vertreter*innen von Religionsgemeinschaften, denen sie nicht oder, und das vielleicht aus guten Gründen, nicht mehr angehören. Die Bundeswehr stellt sich heute ähnlich religiös divers dar wie der Rest der Gesellschaft. Eine humanistische Militärseelsorge gibt es in Deutschland dennoch bis heute nicht.
90 humanistische Seelsorger*innen gefordert
Diese Lücke in der seelsorgerischen Begleitung möchte die Humanistische Vereinigung (HV) gerne schließen. Sie hat deshalb ein Eckpunktepapier vorgelegt, in dem sie die Einrichtung einer Humanistischen Militärseelsorge fordert. 90 humanistische Militärseelsorger*innen könnten bald ihren Dienst in der Bundeswehr tun, rechnet die HV vor. Erreicht werden könnten mit diesem Angebot mehr als 90.000 nichtreligiöse Soldat*innen, die mangels Alternativen bislang auf religiöse seelsorgerische Angebote zurückgreifen müssen.
Beispiele für erfolgreiche humanistische seelsorgerische Arbeit gibt es zuhauf. Gerade die Nachbarländer Belgien und Niederlande zeigen, wie eine humanistische Militärseelsorge aussehen kann. In den beiden Beneluxländern gibt es seit 1964 (Niederlande) respektive 1997 (Belgien) humanistische Militärseelsorger*innen. Es handelt sich dort um Zivilist*innen mit militärischem Rang und in Uniform, die ein langjähriges Studium und eine spezielle Ausbildung vorweisen können müssen, ehe sie seelsorgerisch in der Truppe tätig werden dürfen. 38 humanistische Militärseelsorger*innen tun derzeit in den Niederlanden ihren Dienst, im Nachbarland Belgien sind es acht. Gerade bei Soldat*innen der unteren Dienstgrade ist der Zulauf hoch.