Streifzug durch die Geschichte

Reiner Wagner, Träger des Hans-Schmidt-Preises und langjähriges SPD- und HV-Mitglied, ließ sein Leben Revue passieren: Wertvolle Erfahrungen für die Teilnehmer*innen der Jugendfeier, die sichtlich beeindruckt waren von den Schilderungen aus verschiedenen Dekaden und den großen Unterschieden zur heutigen Zeit.

Im Rahmen des Programms der Jugendfeier haben sich jetzt 25 interessierte Jugendliche zu einem Zeitzeugengespräch mit Reiner Wagner getroffen, der das Gespräch mit einem kurzen Rückblick auf die Zeit der Weimarer Republik einleitete, dem Streik der Frauen 1918, Reichspräsident Hindenburg und Hitlers Machtergreifung.

Sein Vater, ein Sozialdemokrat, wurde 1933 aus politischen Gründen aus seinem Job entlassen, musste Cottbus verlassen und zurück in seine Heimatstadt Nürnberg. Dort hatte er keine andere Möglichkeit, als bei AEG als ungelernter Hilfsarbeiter zu arbeiten. Die SPD habe damals keinen Widerstand gewagt, da sie weder Waffen noch das nötige Personal dazu gehabt habe. Viele Parteimitglieder waren zudem nach dem 1. Weltkrieges Pazifisten und nicht bereit zu einem Aufstand.

In seiner Kindheit erlebte Reiner Wagner zunächst den wirtschaftlichen Aufschwung während der Nazi-Zeit mit. Die Arbeitslosigkeit war niedrig, alle jungen Leute wurden zu bestimmten Diensten, wie dem Autobahnbau, verpflichtet. Seine Eltern verboten ihm, mit bestimmten Nachbarn zu sprechen, wenn diese treue Anhänger Hitlers waren. Außerdem durfte er nicht mit Uniformträgern sprechen und sollte sich, wenn fremde Menschen ihm Fragen stellten, immer „dumm stellen“ und stets sagen, er wisse von nichts. Die Gespräche seiner Eltern über SPD-Angehörige bekam er mit, sie sprachen in seinem Beisein zum Beispiel über die Verschleppungen nach Dachau. Seine Eltern klärten ihn aber nicht über die Gräuel in den Konzentrationslagern auf, doch er wusste, dass sie dagegen waren, weil die Menschen dort leiden mussten.

In der Schule wurden Schiffe und Flugzeuge gemalt, wobei jene mit den französischen Flaggen in Flammen stehen mussten. Als Sicherheitsvorkehrung wurden Übungen mit Gasmasken durchgeführt. Vor der Kinderlandverschickung konnten seine Eltern ihn bewahren, indem sie ihn zu Bekannten aufs Land schickten.

Als Kind fühlte Reiner Wagner sich nicht dazugehörig, da die meisten anderen Kinder und Jugendlichen eine Uniform der Hitler-Jugend oder des Jungvolks (Hitler-Jugend für zehn bis 14-Jährige) besaßen und trugen, er aber keine bekommen hatte. An Feiertagen hingen an den Häusern Flaggen der NSDAP aus den Fenstern. Viele Familien hatten große Flaggen, manche über ein bis zwei Stockwerke. Seine Familie hingegen jämmerlich kleine, die auch nur für zehn Minuten aus dem Fenster hingen.

Herr Wagner erzählte, dass seine Familie sich sehr über das Kriegsende freute, während Hitler-Anhänger aus der Nachbarschaft ihre gesamte Familie erschossen haben. Ab 1946 war Reiner Wagner in der Jugendorganisation der Falken tätig und erlebte 1948 seine Jugendfeier.

 Anschließend nahm sich Herr Wagner ausführlich Zeit, Fragen zu beantworten: Besonders neugierig waren die Jugendlichen auf bestimmte persönliche Erinnerungen und Momente aus seinem Leben, etwa ob er damals Kontakt zu Juden hatte und etwas von den Verhaftungen mitbekommen habe.

Wagner berichtet von seinem ehemaligen Kinderarzt, der Jude war und rechtzeitig fliehen konnte. Sonst habe er nicht bewusst Kontakt zu Juden gehabt und auch keine Verhaftungen mitbekommen.

Des Weiteren wollte die Runde wissen, wie genau seine Eltern verfolgt wurden. Darauf erzählt Wagner von der Entlassung seines Vaters, der bei der SPD für die Jugendfürsorge tätig war und von weiteren Repressalien: So wurden ihm nur 48 Stunden Zeit zugestanden, um das damalige Preußen zu verlassen und nach Nürnberg zurück zu kehren. Ihm wurde der Reisepass abgenommen, weshalb er sich nicht mehr frei bewegen konnte. Er musste sich außerdem jeden zweiten Tag bei der Polizei melden, damit sichergestellt werden konnte, dass er nicht geflüchtet ist.

Die Jugendlichen fragten dann, was Reiner Wagner von der Wiederaufrüstung nach dem zweiten Weltkrieg gehalten habe. Seine Antwort: Er habe sie befürwortet- aber mit gespaltener Meinung. Er habe eine allgemeine Wehrpflicht einem Berufsheer vorgezogen, da er befürchtete, dass sonst nur ehemalige Nazis zur Bundeswehr kämen.

Nach dem Krieg lebte Wagner bis zur Wiedervereinigung Deutschlands in Westdeutschland und arbeitete als Einzelhandelskaufmann. Er könne aber nicht pauschal entscheiden, ob es ihm heute oder früher besser gefiele, da jede Zeit verschiedene Themen habe.

Am Schluss berichtete er Reiner Wagner noch, dass sein Vater nach dem Krieg wieder zurück zur AEG ging und dort sogar zweiter Betriebsrat wurde, außerdem wurde er Stadtrat und stellvertretender Vorsitzender der Nürnberger SPD.

Herr Wagner hätte noch viel zu erzählen gehabt. Die Jugendlichen waren sichtlich beeindruckt von den Schilderungen aus den verschiedenen Dekaden deutscher Geschichte und den großen Unterschieden zur heutigen Zeit. Sie bedankten sich herzlich, dass Wagner all diese Erinnerungen mit ihnen geteilt hat. Der Schusspunkt des Treffens bildete dann ein gemeinsames Gruppenfoto.

 

Text und Fotos: Nele Höhlein und Anita Häfner

Historische Fotos: SA-Aufmarsch: Bundesarchiv Bild 183-1982-0809-502, Nürnberg, Reichsparteitag, zerbombte Innenstadt: gemeinfreies Bild

 

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