Der Staat muss neutral sein, nicht die Menschen
Die Humanistische Vereinigung begrüßt diese Entscheidung. Die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Die Linke) kündigte nun als Konsequenz daraus an, das Neutralitätsgesetz abzuschaffen oder zu ändern.
Die Humanistische Vereinigung setzt sich weltweit für die Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein. Dies ist eines der universalen Menschenrechte. Sie unterstützt die Einschätzung des Gerichts, weil die staatliche Neutralität durch persönliche Kleidung, auch solche mit religiöser Symbolik, nicht grundsätzlich gefährdet wird. Die religiöse und weltanschauliche Neutralität ist eine Pflicht des Staates, die nicht mit dem Recht der Menschen auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit verwechselt werden darf. Deshalb sind z.B. Kreuze in Amtsräumen, Schulzimmern und Gerichten abzulehnen, das Kopftuch von Bediensteten ist aber hinzunehmen.
Dazu Michael Bauer, Vorstand der Humanistischen Vereinigung:
„Der Staat selbst muss neutral sein und nicht die Menschen, die in ihm leben. Jeder Mensch hat das Recht, nicht neutral zu sein. Jeder Mensch hat das Recht, seine Religion oder Weltanschauung auszuleben und das auch in seinem Beruf, auch wenn dieser im Staatsdienst ausgeübt wird. Ein Kopftuch stellt dabei kein Hindernis dar, solange die Menschen erkennbar bleiben.“
Das Berliner Neutralitätsgesetz hat sich schon länger als Zankapfel erwiesen: Es war über Jahre die in Deutschland am weitesten gehende Regelung und eine deutliche Einschränkung der individuellen Freiheit und des Grundrechtes auf Religionsfreiheit und eine klare Absage an die Maxime der Religionspluralität. Mit der Gerichtsentscheidung und der Ankündigung, das Neutralitätsgesetz abzuschaffen, rückt ein altes Konfliktthema der Berliner Koalition wieder ins Blickfeld: Die Grünen und die Linke sehen es als diskriminierend an, die SPD wollte in Teilen dagegen bislang am Neutralitätsgebot festhalten. Die eigens beauftragte Expert*innenkommission „Antimuslimischer Rassismus“ empfahl dem Senat die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes. Die Mehrheit der Mitglieder der Kommission hatten das Gesetz als „systematische und institutionalisierte Diskriminierung gegenüber Frauen mit Kopftuch ohne sachliche Rechtfertigung“ bewertet.
Bereits im August 2020 hatte das höchste deutsche Arbeitsgericht in Erfurt entschieden, dass das seit 2005 in Berlin gültige Neutralitätsgesetz verfassungswidrig sei. Mit der nun bekannt gewordenen Ablehnung der Verfassungsbeschwerde der Hauptstadt gegen dieses Urteil durch das Bundesverfassungsgericht darf unter anderem Lehrer*innen in Berlin das Tragen von Kopftuch, Kippa oder Kreuz künftig nicht mehr pauschal verboten werden.